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Wie er den Luftangriff der Royal Air Force am 27. November 1944 auf Freiburg erlebt hat, schilderte Werner Kästle bei der „Politikstunde“.

Fast 80 Jahre ist der Bombenangriff auf Freiburg her und es gibt nicht mehr viele Menschen, die sich noch daran erinnern können.

Violetta aus der K1 ergriff daher die Initiative und lud in Kooperation mit Petra Gaus vom „Projekt Nemory“ mit Werner Kästle einen Zeitzeugen des Angriffs in die „Politikstunde“ ein. Dort schilderte dieser nicht nur die Details des Angriffs, sondern diskutierte auch mit den etwa 40 anwesenden Schüler*innen und beantwortete bereitwillig die zahlreichen Fragen.

1944 lebte der damals zwölfjährige Werner Kästle mit zwei Geschwistern und seiner Mutter im Stühlinger, der Vater diente an der Front als Soldat. Den ganzen Herbst über hatte es bereits einige Luftangriffe der Alliierten gegeben. Am Mittag des 27. Novembers erfuhr seine Mutter durch eine Sendung des Schweizer Rundfunks, dass am Abend mit einem Bombenangriff zu rechnen sei.
Die Mutter machte sich damit strafbar, denn seit Kriegsbeginn war der Empfang ausländischer Sender streng verboten. Dennoch war es auch unter hochrangigen Nationalsozialisten üblich, „Feindsender“ zu hören und so flüchteten sich diese auch am 27. November in den viel zu knapp bemessenen Luftschutzbunker am Freiburger Schlossberg.
Als der Bombenalarm losging, war Werner Kästle hingegen draußen unterwegs und rettete sich unter die massiv gebaute Ochsenbrücke, die im Gegensatz zum Beispiel zur „Blauen Brücke“ nicht zerstört wurde.
Luftbild Freiburg 1944Auch das Haus, in dem Familie Kästle wohnte, überstand den Angriff. Am nächsten Morgen war Werner auf dem Weg über den Stühlinger Kirchplatz, wo mehr als 80 Leichen lagen. Es handelte sich um Soldaten, die verwundet von der Ostfront, die unmittelbar vor dem Angriff mit einem Zug am Freiburger Hauptbahnhof angekommen waren. Auf ihrem Weg in das in der ehemaligen Kreispflegeanstalt eingerichtete Lazarett wurden sie vom Angriff überrascht und diesem schutzlos ausgeliefert.
Eindrücklich beschrieb Werner Kästle die Auswirkungen des Bombenangriffs, dem die britische „Royal Air Force“ den Codenamen „Operation Tigerfish“ gegeben hatte. Etwa 2.800 Menschen starben, über 9.000 Menschen wurden verwundet. Die historische Altstadt wurde fast komplett zerstört, das Freiburger Münster wie durch ein Wunder nur leicht beschädigt. Auch die Stadtteile Betzenhausen, Neuburg, Mooswald und große Teile des Stühlingers wurden dabei zerstört. Insgesamt fielen in dem 23-minütigen Angriff etwa 14.500 Bomben, das entspricht mehr als 10 Bomben in jeder Sekunde.
Vom Freiburger Münsterplatz hatte man freien Blick zum Kaiserstuhl.

Auch in den folgenden Wochen und Monaten gab es noch Bombenangriffe auf Freiburg, so zum Beispiel am 17. Dezember, bei dem sich die ganze Familie – der Vater befand sich gerade auf Fronturlaub zuhause – in einem Luftschutzraum im Keller versteckte. Das Haus der Kästles wurde dabei getroffen und zerstört. Gemeinsam schaffte es die Familie die verletzte Mutter aus den Trümmern des eingestürzten Hauses zu retten. Zur Genesung kam die Mutter ins Sanatorium “Glotterbad“ (später als „Schwarzwaldklinik“ bekannt geworden), wo Werner ihr mit dem Fahrrad täglich etwas zu Essen brachte.

Die Lebensmittelversorgung war zwar rationiert, aber stabil, es gab pro Person täglich 150 Gramm Brot, 70 Gramm Fleisch und 50 Gramm Milch. Nach Kriegsende wurden diese Mengen deutlich reduziert und viele Menschen, auch Familie Kästle, litten an Hunger und Unterernährung. Sie begann, ihr Hab und Gut bei Bauern in der Umgebung gegen Lebensmittel einzutauschen. Bei einem Bauer in Eichstetten tauschten sie zum Beispiel Decken und Kissenbezüge gegen Nahrungsmittel. Auf Feldern mussten Sie Kartoffeln und Maiskolben stehlen.

240123 Zeitzeugen GruppenfotoAusgebombte Familien aus Freiburg wurden meist am Hochrhein einquartiert und so fand die Familie in Gailingen vorübergehend ein neues Zuhause, eine Zeit, die Werner Kästle positiv in Erinnerung hat: „Wir schwammen auf die andere Seite des Rheins und wurden von den Menschen in Diessenhofen immer sehr nett behandelt. Sie gaben uns Zucker, Süßstoff und Zigaretten, die wir auf dem Schwarzmarkt gegen Lebensmittel eintauschen konnten.“ Auf dem Rückweg über die Rheinbrücke drückten die Schweizer Grenzpolizisten ein Auge zu und ließen die deutschen Kinder passieren.
Auch die französischen Besatzungssoldaten in der Nachkriegszeit, von denen sehr viele aus Marokko stammten, waren nett zu den Kindern und schenkten ihnen teilweise Schokolade.

Durch den Angriff war die Schule von Werner Kästle zerstört worden und es dauerte ein ganzes Jahr, bis der Unterricht wieder begann. Schon nach der 7. Klasse begann Werner Kästle daher eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker, denn Prothesen waren damals angesichts der vielen verwundeten Soldaten sehr gefragt. Als die Nachfrage in den 50er Jahren zurückging, machte er sein Abitur nach und absolvierte abschließen ein Lehramtsstudium.

„Wir sind sehr froh, dass mit Werner Kästle ein Zeitzeuge in der „Politikstunde“ war, der sich so präzise an die Zeit erinnert und dessen Schilderungen auch angesichts der aktuellen Entwicklungen auf besonders großes Interesse gestoßen sind.“, so Dr. Michael Walter, verantwortlich für die „Politikstunde“.

Das Projekt Nemory

Im Projekt Nemory begeben sich Jugendliche auf eine Zeit- und Forschungsreise zu den Erinnerungen von Zeitzeug*innen. Mehr über das Projekt erfahren Sie unter https://www.nemory-freiburg.de/

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