Ende Januar haben sechs Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums an der „International Model United Nations Conference“ der University of Birmingham teilgenommen. Mit dabei waren auch die 10.-Klässler Nikos und Steven. Die Jury hat die beiden als „Best Delegates“ in ihrem jeweiligen Komitee ausgezeichnet – und das, obwohl ein Großteil der Teilnehmer Studierende der Fachrichtung Politik waren. ANGELL News sprach mit den beiden über ihre erfolgreiche Teilnahme am UNO-Planspiel.
ANGELL News: Was genau passiert bei so einer Model United Nations (MUN)-Konferenz?
Nikos: In der Regel bekommt man ein Komitee zugeteilt, und innerhalb dieses Komitees repräsentiert man einen Staat oder eine bestimmte Person. In Birmingham saß ich im Krisen-Kabinett. Dort repräsentiert man immer eine Person, d.h. man ist z.B. der Verteidigungsminister der Türkei oder der Premierminister.
Steven: Man findet sich in Komitees ein, die es auch in Echt gibt, z.B. das Menschenrechtskomitee. In vielen Komitees sind alle Länder vertreten, die in der UNO sind, also 193. Mit denen diskutiert man dann verschiedene Themen.
Wie bereitet man sich auf die Konferenz vor?
Nikos: Zur Vorbereitung sammelt man natürlich erst mal jede Menge Fakten: Über die Politik des Staates, die Verfassung, Gesetze, die erlassen wurden aber auch über internationale Beziehungen und die generelle Haltung gegenüber anderen Staaten. Wir hatten letzten Sommer in der Schule eine Projektwoche, in der es nur um dieses MUN-Projekt ging. Unterstützt wurden wir außerdem von Florian Neumann, dem Englischlehrer, der uns begleitet hat. Ihm konnten wir auch fachliche Fragen stellen.
Steven: Das Wichtigste bei der Vorbereitung war die Recherche. Mittels Internet, Büchern oder Nachrichten aus vertrauenswürdigen Quellen. Man braucht für diese MUNs einfach ein fundiertes Wissen. Vor der Konferenz bekommt man das Thema mitgeteilt und auf dieses bereitet man sich vor. Dabei hat man immer die Position des Landes, das man vertritt, im Hinterkopf. Unsere Lehrer haben uns gesagt ‘je mehr ihr in diese Konferenzen investiert, desto mehr werdet ihr daraus lernen‘. Da haben sie Recht, aber es gibt natürlich auch ein Limit.
Wie kam es, dass ihr an der Konferenz teilgenommen habt?
Steven: Es gibt eine Internet-Seite, auf der alle Konferenzen aufgelistet sind. Nikos hat diese Konferenz gefunden. Wir haben uns beworben und wurden auch fast alle angenommen. Die Konferenz war auf einem hohen Niveau, weil sie von einer Universität ausgerichtet wurde und sehr viele Politikstudenten mitgemacht haben, die schon achtmal oder noch öfter bei so einer Konferenz dabei waren. Das war ein Hauptgrund für uns, mitzumachen.
Nikos: Wir haben schon mehrmals an MUN-Konferenzen teilgenommen. Diese Konferenz hat sehr viel geboten. Wir haben einfach eine neue Chance gesucht, unsere Kenntnisse weiter zu verbessern.
Wer waren die anderen Teilnehmer?
Nikos: In meinem Komitee waren fast nur Studenten, aber es gab auch ein High-School-Level-Komitee. Da waren Schüler von überall her dabei.
Steven: Die Teilnehmer kamen aus ganz Europa. In unserem Komitee selbst waren Leute aus einer internationalen Schule in Rumänien. Viele kamen aus England und eben von der University of Birmingham.
In welchen Komitees wart ihr? Und über welche Themen habt ihr dort diskutiert?
Nikos: Ich war in einer sogenannten Crisis Simulation. Da sind zum einen der Weltsicherheitsrat und die NATO dabei und die Staats-Kabinette. Über eine Online Plattform konnten wir mit allen Delegierten in allen Komitees kommunizieren und verhandeln. Wir hatten ungefähr alle zehn Minuten ein neues Thema. Das heißt, es gab nicht ein großes Thema, sondern ständig neue Themen und wir mussten dann deren Relevanz einordnen. Wir hatten internationale und auch innerstaatliche Krisen. Das umfassendste Thema war der Kampf gegen den IS, Friedensverhandlungen und Waffenstillstand in Syrien und die Flüchtlingskrise. Hier haben wir häufig Ministertreffen simuliert.
Steven: Ich war im „SOCHUM-Komitee“, dem Sozial- und Menschenrechtskomitee. Ein Thema war Klimawandel und Klimaflüchtlinge: Was bewirkt das Klima? Wie kann man darauf reagieren? Wie sehen faire Lösungen aus? Von den Folgen betroffen sind ja viele Länder, die keinen Einfluss auf den Klimawandel haben, z.B. in Afrika. Dadurch, dass sie die größten Konsequenzen zu tragen haben, müssen zum Beispiel Industrieländer wie die USA diese Staaten unterstützen. Außerdem haben wir über Xenophobie und Rassismus gesprochen.
Welche Länder habt ihr vertreten? Wie schafft man es, sich in die Rolle einzufinden?
Nikos: Ich habe im türkischen Kabinett den Premierminister vertreten, also kein ganzes Land. Das ist natürlich etwas ganz besonderes. Basierend auf den Fakten, der Geschichte und den Gesetzen des Staats kann man eigene Lösungen im Komitee vorschlagen. So findet man sich eigentlich gut in die Rolle ein.
Steven: Ich habe Australien vertreten. Das war für mich keine große Umstellung, weil ich Amerikaner bin und Australien und die USA sich politisch sehr gut verstehen. Ich habe hauptsächlich im Internet recherchiert: Wie steht Australien zu den Themen, die ich bekommen habe? Was sind Australiens Ziele und wie will das Land die internationale Politik zu seinen Gunsten beeinflussen?
Wie wird man „Best Delegate“?
Nikos: Best Delegate wird man, indem man ständig präsent ist, also einerseits so oft wie möglich die Chance ergreift, zu reden, andererseits aber auch gut zuhört und sich viele Notizen macht. Es geht nicht nur darum, immer die Argumente der anderen zu wiederlegen – das ist zwar auch wichtig – sondern darum, dass man zwischen Staaten, die Probleme haben und zu keiner Lösung kommen, vermittelt, also als Mediator auftritt. Durch so eine Rolle fällt man auf.
Steven: Man muss zeigen, dass man etwas beeinflussen will und man muss immer aktiv sein. Bei der ersten Rede sollte man möglichst professionell auftreten. Wichtig ist, dass man immer bei der Sache ist und sich bei aktuellen Themen einbringt und nicht auf Dingen, die schon passiert sind, rumreitet. Wichtig ist auch, immer die Fakten zu kennen und möglichst viel über die Politik des Landes zu wissen. Das beeindruckt auch die anderen Leute im Komitee.
Nikos: Genau, es ist wichtig, dass man ein bisschen mehr weiß als die anderen. Die aktuelle Politik ist sozusagen Standardwissen aber um „Best Delegate“ zu werden, muss man auch die Geschichte des Staates kennen. Man muss wissen, ob es irgendwelche Konflikte in der Vergangenheit gab, die aktuell noch einen großen Einfluss haben. Ich habe z.B. die Geschichte des Osmanischen Reichs gelernt.
Was ist euer Fazit?
Nikos: Für mich lohnt sich MUN einerseits deshalb, weil man viel über Geografie und Politik lernt und die eigenen Englischkenntnisse verbessert. Von allen MUN-Konferenzen habe ich aber vor allem mitgenommen, dass man immer etwas verändern kann, wenn man es will. Dass Geschichte eben nicht nur gelesen, sondern auch geschrieben wird. Und es sind auch die sozialen Aspekte, die MUN so besonders machen. Es ist nicht so eine „Streber-Konferenz“, bei der man nur über komplexe Themen auf Englisch diskutiert. Wir hatten jeden Abend Social-Events, direkt nach der Konferenz, z.B. einen Gala-Abend, oder man geht mal gemeinsam mit den anderen Teilnehmern in eine Bar. Man lernt so viele Leute von überall auf der Welt kennen und findet neue Freunde.
Steven: Mein Fazit ist, dass sich MUN immer wieder lohnt. Was ich mitgenommen habe, ist vor allem die Fähigkeit, vor einem großen Publikum zu reden. Bei meiner ersten Konferenz hatte ich ein Publikum von über 200 Menschen. Es ist ein Wahnsinns-Gefühl, vor so vielen Leuten zu reden. Für die eigenen Englischkenntnisse bringt die Teilnahme an MUN natürlich sehr viel. Und auch auf sozialer Ebene lernt man vieles, z.B. wie man andere Personen überzeugt, um die Ziele des Landes durchzusetzen. Und MUN macht einfach Spaß, auch wenn es viel Arbeit ist. Letztendlich ist es ein Wahnsinnserlebnis, finde ich.